Online Workshop bei TIME
Rund 20 Fachleute aus heimischen Unternehmen nutzen im März die Chance, sich kompakt über das Thema Künstliche Intelligenz in der Schweißtechnik zu informieren. Das Ergebnis: KI ist vielen noch fremd, bietet aber Möglichkeiten, Unternehmen zukunftsfähig machen.
Ralf Polzin: „KI schafft Einsparpotenzial“
„KI – was kommt da auf uns zu?“, fragte TIME Geschäftsführer Dr. Ralf Polzin und warnte, davor die Augen zu schließen. „In der Medizin führt KI heute schon zu besseren und schnelleren Diagnosen beispielsweise bei der Hautkrebsdiagnostik.“ Welche Bedeutung die Digitalisierung und KI zeitnah für die Unternehmen haben wird, zeigt allein das prognostizierte Einsparpotenzial von 290.000 Tonnen CO2 bis 2030. „Das sind 37% weniger als heute, weil Digitalisierung und künstliche Intelligenz Prozesse verbessern und helfen, Material und Energie einzusparen.“ Sein Plädoyer: Anfangen – um nicht irgendwann überrollt zu werden.
Moritz Wirth: „KI kann dabei unterstützen, bessere Nahtgeometrien und optimale Schweißparameter zu finden“
Noch bis Mai 2023 läuft bei TIME das Forschungsprojekt exoKIwe – Erprobung von KI in der Schweißtechnik. „Wir wollen damit zeigen, wie sich Schweißtechnik ohne Trail & Error und Materialverschwendung optimieren lassen“, erklärt Projektleiter Moritz Wirth. Das beziehe Werkstoffe, Schutzgas, Prozess, Nahtformen usw. ein. „Wenn bei steigendem Wettbewerbsdruck und sinkenden Losgrößen durch KI die Parameter wie Schweißspannung/Strom, Drahtvorschub/Geschwindigkeit, Brenneranstellwinkel usw. ohne aufwändige Versuche festgelegt werden, spart das dem Unternehmen Zeit und Kosten.“
Um eine entsprechende Datenbank zu füttern, laufen bei TIME seit Monaten intensive Bemühungen, hunderte Makroschliffbilder von Schweißungen zu erzeugen, diese Daten aufzubereiten für Training und Test und daraus eine Modellarchitektur zu erstellen, um damit Zusammenhänge herauszufinden. Die stehen dann als Output für die Praxis für Parameterempfehlungen zur Verfügung
Dr. Ing. Tobias Schulze: „KI sichert Fachwissen“
Seit über 15 Jahren unterstützt die DriveConcepts GmbH aus Dresden Firmen im Maschinenbau und angrenzenden Sektoren bei der Einführung von digitalen Prozessen. „Mit Dienstleistungen in den Bereichen Simulation, Berechnung und Software-Entwicklung helfen wir unseren Kunden, Ihre Produktentwicklung effizienter und sicherer zu machen“, sagt Geschäftsführer Dr. Ing. Tobias Schulze. „Große wie kleine Unternehmen können KI nutzen, ohne selbst Expertem zu sein.“ Man müsse verstehen: Nachhaltiges Wirtschaften geht nur mit KI und KI ist kein Konkurrent, sondern ein Kollege. Am Beispiel von Schraubverbindungen bei Flanschen zeigte er auf, wie KI Vorschläge für die optimale Anordnung und die Anzahl der benötigten Schrauben macht. „Das können langjährige Fachleute auch ansatzweise, aber was ist, wenn dieses Knowhow verloren geht?“ Künstliche Intelligenz unterstützt also Experten, Einsteiger und Gelegenheitsanwender. Es sichere Wissen und beschleunigt die Entwicklungsprozesse und senke Produktionskosten. Seine Empfehlung: „Fangen Sie mit überschaubaren Projekten an, sammeln Sie Erfahrungen und nutzen Sie die Expertise von Unternehmen, die schon länger mit KI unterwegs sind.“
Tobias Girresser: „KI kann dabei helfen, den Fachkräftemangel auszugleichen“
Den Faden nahm TIME-Projektleiter Tobias Girresser auf: „TIME kann Sie bei der Einführung von KI im Unternehmen sicher unterstützen.“ In jedem Fall muss eine gute Datenbasis aufgestellt werden: viele Bilder von Makroschliffen in hoher Qualität und mit einer gewissen Varianz füttern die Datenbank, in der dazu u.a. die Fertigungsparameter zugeordnet sind.
Tobias Girresser: „Dazu beobachtet man das Fehlerbild und labelt die Daten unter dem Aspekt, was der eigentliche Fehler war.“ Nach Auswahl des passenden Algorithmus bietet sich die Nutzung eines vortrainierten Netzes an, um zu schnellen und guten Ergebnissen zu kommen. „Mit KI-Prognosen können Versuchszahlen deutlich reduziert werden“, so Girresser. Manpower wird dadurch freigesetzt und die Schweißer kommen dank KI schneller zu ihrer eigentlichen Arbeit.
Dr. Fabian Muhs: „Wie KI durch Reinforcement Learning lernt“
Von Erfahrungen aus der Computer-Spiele-Branche und deren Ableitung auf technische Problemstellungen berichtete Dr. Fabian Muhs: „Daraus hat man abgeleitet, wie ein KI-Netzwerk schneller lernen kann und zu besseren Ergebnissen kommt.“
Dr. Muhs stellte das sogenannte „Reinforcement Learning“ vor. Dieses bestärkende Lernen steht innerhalb der KI für eine Methode des maschinellen Lernens, wo ein virtueller Agent eigenständig eine Strategie erlernt, und durch Belohnung lernt, seine Erkenntnis zu verbessern. Die Bildung der Datenbasis erfolgt durch ausführliche Trial-and-Error-Abläufe innerhalb eines Szenarios.
„Bei Spielen hat sich gezeigt: Erhöhte Trainingszeit bringt Erfolg“, sagte Dr. Muhs und berichtete: „Bei einer Produktion zur Wafer-Herstellung konnte der KI-Agent die Varianz der Durchlaufzeiten deutlich reduzieren und hat so die Lieferfähigkeit erhöht. Und bei der Kühlung eines Rechenzentrums konnte durch KI-Kontrolle der Lüftungsanlage 40% Energie eingespart werden.“
Reinforcement Learning könne in der Schweißtechnik z.B. die Produktionssteuerung verbessern oder Bewegungsabläufe bei Robotern optimieren. Nach Ansicht von Experten bildet das Reinforcement Learning einen wesentlichen Baustein zur allgemeinen künstlichen Intelligenz.
57537 Wissen/Sieg