Streckenenergie – besonders bei Feinkornbaustählen entscheidend für die Qualität

Die Streckenenergie entscheidet über Qualität, Gefüge, Festigkeit und Zähigkeit einer Schweißnaht. Gerade bei Feinkornbaustählen ist eine sorgfältige Kontrolle der Werte unverzichtbar.

 

Die Qualität einer Schweißnaht und die Festigkeit des Werkstücks hängen nicht nur vom Geschick des Schweißers oder der Präzision einer Roboteranlage ab, sondern in hohem Maße von den eingestellten Prozessparametern. Eine zentrale Kenngröße ist dabei die Streckenenergie. Sie beschreibt die Wärmemenge, die pro Längeneinheit der Schweißnaht eingebracht wird, und entscheidet mit über Gefügeausbildung, Zähigkeit und Rissanfälligkeit.

Besonders Feinkornbaustähle, die durch ihr spezielles Gefüge im Normalfall eine hohe Festigkeit bei gleichzeitig guter Zähigkeit bieten, reagieren empfindlich auf zu hohe Wärmeeinträge.

 

Auswirkungen auf das Gefüge

Die Streckenenergie beeinflusst direkt die t8/5-Zeit – also die Zeitspanne, in der die Temperatur des Schweißgutes von 800 °C auf 500 °C absinkt. Die t8/5-Zeit bestimmt maßgeblich die Gefügeausbildung:

  • Zu geringe Streckenenergie führt zu schneller Abkühlung und birgt daher die Gefahr, harte, spröde Martensit- oder Bainitgefüge mit erhöhter Rissneigung auszubilden.
  • Zu hohe Streckenenergie führt zu langsamer Abkühlung und damit zur Ausbildung grober Gefüge und Abnahme der Zähigkeit.

 

Ein zentrales Phänomen ist das Kornwachstum


Wenn der Werkstoff durch hohen Wärmeeintrag über längere Zeit im Austenitgebiet (oberhalb von ca. 900 °C) verweilt, beginnen die feinen Austenitkörner zusammenzuwachsen. Dieser Vorgang reduziert die Korngrenzenfläche und führt  zu größeren Körnern. Beim anschließenden Abkühlen entstehen aus den großen Austenitkörnern wiederum große Ferrit- oder Perlitkörner.

 

Als Folge nimmt die Zähigkeit ab: Feinkorn verhindert eher eine Rissausbreitung. Große Körner erleichtern dagegen die Sprödbruchausbreitung, insbesondere bei tiefen Temperaturen. Ebenso reduziert sich die Festigkeit des Werkstücks. Denn je gröber das Gefüge, desto geringer die Streckgrenze und Festigkeit. Außerdem wird mit steigender Streckenenergie die Wärmeeinflusszone mit grobkörnigem Gefüge größer, was die Schweißnahtqualität mindert.

 

Negative Effekte von zu hoher Streckenenergie

Neben Kornwachstum und Zähigkeitsverlust treten noch weitere praxisrelevante Probleme auf: Ein hoher Energieeintrag führt zu stärkeren Schrumpf- und Eigenspannungen. Die Folge können Verzüge und Maßungenauigkeiten sein, die die Passgenauigkeit des Werkstücks in der Endmontage beeinträchtigen.

Durch Überhitzung können sich in der Wärmeeinflusszone weniger korrosionsbeständige Phasen bilden, was die Lebensdauer des Werkstücks in aggressiven Umgebungen reduziert.

Und trotz der guten Grundschweißbarkeit von Feinkornbaustählen können zu hohe Streckenenergien Poren, Risse oder mangelnde Festigkeit in der Naht begünstigen.

 

Optimierung ist kein Hexenwerk

Die Streckenenergie lässt sich gezielt beeinflussen. Schon kleine Änderungen in den Parametern zeigen große Wirkung: So führt die Erhöhung der Schweißgeschwindigkeit zu sinkender Streckenenergie. Werden Strom und Spannung reduziert, kommt es zu weniger Wärmeeintrag. Bei der Prozessauswahl gilt: effiziente Verfahren mit niedrigerem Wärmeeintrag reduzieren die Streckenenergie.

 

Fazit

Die Streckenenergie ist entscheidend für Qualität und Sicherheit einer Schweißnaht: Zu niedrige Werte erhöhen die Gefahr harter, rissanfälliger Strukturen, während zu hohe Werte Kornwachstum, Verzug, Korrosionsprobleme und Festigkeitsverluste verursachen. Gerade bei Feinkornbaustählen ist deshalb eine sorgfältige Kontrolle der Streckenenergie unverzichtbar. Wer die Einflussgrößen kennt und praxisgerecht optimiert, sichert nicht nur die gewünschten Materialeigenschaften, sondern auch die Wirtschaftlichkeit und Zuverlässigkeit von Schweißkonstruktionen.

Als Technologie-Institut begleitet TIME Sie gerne bei der Auswahl des passenden Schweißprozesses und der optimal darauf abgestimmten Parameter.

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